Eulenwanderung

Zu Beginn unserer Wanderung vermutete Martin Hirsch von der Wildtier-Auffangstation in Alschbach, dass wir an diesem Abend wahrscheinlich keinen Uhu hören werden, womit er leider Recht behielt. Denn am Vortag hatte es ein regelrechtes „Balzkonzert“ gegeben, was den Abschluss der jährlichen Hauptbalzzeit zwischen Januar und März bedeutet haben könnte.
Dabei rufen Männchen mit einer tieferen Stimme als Weibchen, allerdings sind die Weibchen größer und schwerer als Männchen. Die Flügelspannweite beträgt bei Weibchen ca. 170 cm, was bei einem lautlosen nächtlichen Überflug schon sehr gespenstisch wirken kann!
Diese größte Eulenart der Erde brütet seit einigen Jahren wieder regelmäßig in unserer Region.
Als Felsbrüter braucht sie Felswände, Steinbrüche, Ruinen, nutzt jedoch manchmal auch verlassene Horste von Mäusebussard oder Habicht. Seltener wird direkt am Boden gebrütet.
Auf seinen nächtlichen Beuteflügen muss ein Uhu seine Beute hören. So wurde festgestellt, dass er regelmäßig Rabenkrähen von deren Schlafbaum „pflückt“, sobald diese sich bewegen.

Diesen Erläuterungen lauschte interessiert ein auf dem Arm von Martin Hirsch sitzender blinder Waldkauz, der sein Augenlicht bei einem Verkehrsunfall verloren hatte und nun mit einer ministeriellen Sondergenehmigung seinen wohlbehüteten Alltag in einer Voliere verbringen darf.
Nachdem er sich ganz entspannt von einigen der  18 Teilnehmer noch eine Streicheleinheit abgeholt hatte, wanderte er mit uns durch den frostigen Wald hinauf zum Gollenstein, wo uns zwei brennende Schwedenfackeln als willkommene Wärme- und Lichtquelle empfingen.

Während wir mit heißem Apfelsaft und Gebäck verwöhnt wurden, zauberte Martin Hirsch aus den Transportkästen seines Kofferraumes zunächst eine hübsche Schleiereule hervor.
Mit ihren schwarzen Augen bestaunte sie aus dem weißen Gesichtsschleier heraus die Flammen des knisternden Feuers. Da Schleiereulen bei uns hauptsächlich auf die schwindenden Nistgelegenheiten in menschlichen Siedlungen angewiesen sind, wie Dachböden auf Bauerhöfen, Scheunen, Ställe oder auch Kirchen, nehmen ihre Brutchancen leider ständig ab.

Auch ein Steinkauz durfte noch mit seinen gelben Augen einen Blick auf die begeisterten Wanderer werfen. Diese kleine Eule erreicht nur knapp Amselgröße. Als Höhlenbrüter ist sie ebenso wie der Waldkauz auf alte Baumbestände angewiesen. Neben Gärten und Parks sind regelmäßig gemähte Obstwiesen mit der Möglichkeit zum Mäusefang wichtig zum Überleben.

Die bange Frage, ob sich denn die Eulen in dieser  Kälte wohlfühlen, konnte mit einem klaren „Ja“ beantwortet werden. Sie fühlen sich eher bei hohen Temperaturen nicht wohl und suchen deshalb tagsüber kühle, schattige Ruheplätze.

Derart beruhigt wanderten alle wieder hinab in den Ort.
Als Abschluss wollte Martin Hirsch uns noch seinen zahmen Uhu Anton vorstellen. Dieser signalisierte ihm jedoch, dass er momentan die Gesellschaft seines brütenden Weibchens vorziehe.

Letztendlich hatten wir aber doch noch „saumäßiges“ Glück, denn Berta, das zahme, von Martin Hirsch großgezogene Wildschwein, unterbrach sogar ihre Nachtruhe im heimischen Gartengelände,  um ihre neugierigen Artgenossen – laut ihrem Herrchen fühlt sie sich nämlich auch als Mensch – wohlwollend anzuschnüffeln.
So verabschiedeten sich alle mit einem Lächeln , -vielleicht bis zum nächsten Mal! 

Christel Matitschka